ich lese Blogs. Viiiiiiiiiiiiiiele viele Blogs. Eindeutig zu viele Blogs. Aber wie soll man nur auswählen, wenn es doch so viele tolle Beiträge zum Lesen, Anschauen und Nachmachen gibt. Ich weiß es nicht.
Einer dieser Blogs, die ich regelmäßig lese, ist der Blog was eigenes von Sabine Güllich. Bine hat sich für dieses Jahr eine kleine Short-Stories-„Kolumne“ einfallen lassen, bei der ein Thema vorgegeben wird und jeder, der darauf Lust hat, seine Beiträge zu diesem Thema verlinken kann.
Diese Woche geht es um das Thema
Freunde haben in meinem Leben immer eine sehr große Rolle gespielt. Häufig, um nicht zu sagen immer, eine größere Rolle, als ich selbst, gehöre ich doch zu den Menschen, die alles stehen und liegen lassen, wenn das Telefon klingelt und jemand etwas oder mich braucht.
Haben manche das ausgenutzt? Sicher. Hat mich das gestört? Nicht wirklich.
Und dann wurde ich älter.
Das Leben schmiss mir die ein oder andere Zitrone vor die Füße, aber nicht immer gelang es mir spontan selbst Limonade daraus zu machen. Was soll’s, dachte ich mir, wozu hat man denn Freunde, wenn nicht zum Rezeptetausch? Im Laufe der Zeit hatte ich schließlich ganze Kochbücher im Alleingang gefüllt und so dachte ich, wird mit Sicherheit das passende Rezept für meine Situation zu mir zurückkommen, wenn ich nur danach frage.
Es kamen auch Rezepte zurück. Aber warum schmeckten manche nur so bitter und bisweilen ranzig? Bei näherer Betrachtung und mehrmaligem Ausprobieren, stellte ich fest: da fehlen Zutaten. Grundlegende Zutaten wie Zeit, Interesse, Mitgefühl oder einfach nur Geduld und Verständnis.
Hatte ich etwa die ganzen Jahre vorher genauso gekocht? Nein, das kann ich definitiv ausschließen.
Also fing ich nach und nach an, mich alleine an den Herd zu stellen und mir meine Limonade selbst wieder schmackhaft zu machen. Ist es mir gelungen? Es hat eine Weile gedauert, aber eindeutig ja.
Und zum Dessert gab es die Erkenntnis, dass Menschen, die nicht im geringsten kochen können, der falsche Ansprechpartner für Rezepte sind. Und so wurden nach und nach aus zwanzig, zehn, aus zehn wurden acht, aus acht wurden fünf und da pendelte es sich dann auch plus oder minus ein.
Bine hat die Frage in den Raum geworfen, was für den einzelnen Freundschaft bedeutet. Wenn ich näher darüber nachdenke, bedeutet sie mir deutlich weniger als das noch vor Jahren der Fall war. Sicher habe ich meine klitzekleine Handvoll Leute, die ich hoffentlich für den Rest meines Lebens weiterhin aufzählen kann, an denen ich sehr hänge und die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern wenn ich an sie denke. Aber ich weiß auch Leben ändern sich. Situationen ändern sich. Menschen ziehen um, lernen neue Menschen kennen, wechseln Jobs, und entwickeln sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedliche Richtungen. Schafft man es da über Jahre, Jahrzehnte das Interesse am Gegenüber aufrechtzuerhalten? Ja, kann klappen. Klappt auch in sehr wenigen Fällen seit langer Zeit sehr gut, muss aber nicht. Einige von den Menschen, die ich jahrelang als meine engsten Freunde bezeichnet haben, tanzten letztlich nicht auf meiner Hochzeit. Einige davon tanzten zwar da, werden aber bei der nächsten Festlichkeit eher nicht wieder mit dabei sein. Wer davon in 50 Jahren noch mit mir und Herrn T. zum Seniorentanztee gehen wird, ich habe da so meine Vermutung, aber die Erfahrung zeigt, drauf wetten werde ich nicht.
So viele Menschen reden von der Wichtigkeit der Freundschaft, manche gehen sogar so weit, zu behaupten Freunde seien das WICHTIGSTE überhaupt in einem Leben, aber was ist mit den unzähligen Abschnittsgefährten, die man so über das Leben verteilt trifft? Was ist mit Marie, ohne deren Einsatz (und große Schrift) ich es niemals zum Abitur geschafft hätte, weil die naturwissenschaftlichen Fächer mich in der 10 und 11 aussortiert hätten, die ich aber aus den Augen verlor, nachdem sie ein Austauschjahr in den USA antrat? Was ist mit dem Studenten, dessen Namen ich leider nicht mehr weiß, der mir in meinem ersten Semester einen detaillierten Stundenplan aufgeschrieben hat, damit ich nicht schon in der ersten Woche völlig überfordert von der Uni heim renne und das Studium schmeiße? Der Zettel liegt heute noch ordentlich zusammengefaltet in meiner Schublade. Was ist mit Caroline, die ich nach einer gescheiterten Beziehung früh um halb 7 verzweifelt aus dem Bett telefoniert habe und die mich danach wochenlang ablenkte? Was ist mit Frank, der mir spontan seinen VW Sprinter zur Verfügung gestellt hat, damit ich in einer Hauruck-Aktion, meinen Umzug machen konnte? Was ist mit Bruno, ohne dessen Spontanhilfe, meine Waschmaschine niemals den 2. Stock meiner Stundentenbude erreicht hätte? Was ist mit Alex, der ohne zu zögern in genau jene Studentenbude „eingedrungen“ ist, weil besagte Waschmaschine beim Schleudergang den Föhn runterkatapultiert hat, und der sich wunderte, warum die Rothaarige von nebenan seit 5 Stunden ununterbrochen föhnt und damit vermutlich verhindert hat, dass die Bude in Flammen aufging?
Was ist mit all diesen Leuten? Waren das Freunde? Manche zu einem gewissen Zeitpunkt definitiv ja, manche aber auch nicht. Es waren Bekannte, Arbeitskollegen oder auch flüchtige Bekanntschaften. Eins ist aber sicher, völlig unabhängig was sie zu dem Zeitpunkt für einen Stellenwert hatten, sie haben bewusst oder unbewusst in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass mein Leben heute so ist, wie es ist und dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.
Habe ich diesen Leuten das jemals mitgeteilt? Vermutlich nicht in dem Ausmaß, wie es angemessen gewesen wäre. Vermutlich waren die Zwischenfälle für Vereinzelte auch so belanglos, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnern. Ich aber denke heute noch dran.
Sind mir meine Freunde also wichtig? Ja sind sie. Selbst an denen, die ich heute nicht mehr als Freunde bezeichnen würde, hänge ich nach wie vor und frage mich immer wieder, was sie wohl tun, wie es ihnen geht, ob sie sich sehr verändert haben, ob sie sich vielleicht auch die gleichen Fragen über mich stellen, und wenn ja, warum dann kein Kontakt mehr zu Stande kommt. Die Abschnittsgefährten sind mir aber genauso wichtig! Denn die sind das Salz in der alltäglichen Suppe. Und eins steht für mich fest: schenkt man diesen zu wenig Gewichtung, verbaut man sich selbst die Chance, den Freundeskreis um wertvolle Menschen zu ergänzen.
Bye
Nadine
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Du hast so Recht und besonders genial finde ich deine Vergleiche mit den Rezepten, Zitronen und so weiter. Superschön und treffend geschrieben!
Liebe Nadine!
Vielen Dank für das Teilen Deiner Gedanken zum Thema Freundschaft! Ich kann Deine Gedanken nur unterstreichen und stimme Dir absolut zu! In meinen Gedanken drehe ich mich auch immer mal wieder um diese Frage…. Was ist Freundschaft, warum sieht der Freundeskreis bei anderen Menschen so ganz anders aus, wieso haben die so viele Freunde und ich bin so wählerisch, bin ich überhaupt wählerisch?
Warum soll man sich mit Menschen umgeben, die einem nicht unbedingt gut tun….
Ja, es ist ein Interessantes Thema! Also nochmal vielen Dank für Deine Zeilen, hat mich auch wieder inspiriert!
Liebe Grüsse
Kerstin
Liebe Nadine,
das ist ein ganz wundervoller Beitrag, sehr gut geschrieben und auch inhaltlich auf den Punkt. Die Punkte.
Dazu könnte ich jetzt stundenlang schreiben, lösen Deine dargestellten Erfahrungen doch auch bei mir viele Erinnerungen und Gedanken aus.
Herzliche Grüße und danke für das Teilen.
Nina
Ein laaanger Beitrag zu einem wichtigen Thema – ich stimme Dir in allen Punkten zu.
Ist es nicht schön, daß wir uns alle verändern? Nicht nur die anderen – nein: auch wir. Und so bleibt das Leben spannend!
LG, Heike
Liebe Nadine,
Du hast ja so recht! Es gabe in meinem Leben auch schon ein, zwei größere Begebenheiten, auf Grund derer ich sogenannte Freunde aussortiert habe. Und genau in dieser Zeit fing ich an bewusst zwischen Bekannten, guten Bekannten und Freunden zu unterscheiden und ebenso bewusst die Begleiter in bestimmten Lebensabschnitten besonders zu schätzen. Deinen Blogeintrag sollten ganz viele Menschen lesen und sich jeweils ihre persönlichen Gedanken dazu machen. Ich denke, das würde mehr Ehrlichkeit und weniger Verletztheit zu Tage fördern.
Liebe Grüße und ein dickes Dankeschön
Kerstin
Liebe Nadine, das hast Du alles ganz wunderbar geschrieben. Ich gebe Dir in vielen Punkten recht… insbesondere bei dem Punkt wie wichtig doch diese Abschnittsgefährten sind. Davon habe ich auch eine Menge und ich möchte die Zeiten mit ihnen nicht missen!
Danke, dass Du mitgemacht hast!
GLG Bine
Liebe Nadine,
ein schön geschriebener Post, der zum Nachdenken anregt…
Ganz liebe Grüße schickt dir Dina
Was für ein schöner Tagesabschluß…naja, wenn ich auf die Uhr gucke, ist ja schon wieder ein neuer Tag angefangen…auch gut, dann starten wir eben mit diesen Gedanken in einen neuen Tag: Es ist ganz wunderbar, wie offen Du Deine Gedanken und Gefühle preis gibst. Leider hat man ja oft das Gefühl sich was zu vergeben, wenn man allzu ehrlich und damit logischerweise auch verletzlich ist. Aber wenn man so ehrlich ist, dann sind es tatsächlich oftmals nur kleine, augenscheinlich (aber in Wahrheit ganz und gar nicht) unbedeutende Begebenheiten und Momente, die unser Leben nachhaltig geprägt haben. Es ist schön wenn man sich daran später noch erinnert und noch schöner, wenn man selber hört oder liest, dass andere sich wiederum an einen selber erinnern. Ich denke, man sollte und darf das – sofern man mit manchen noch in irgendeiner Verbindung steht – auch ruhig mal kund tun. Oder vielleicht hinterlasse ich bei Gelegenheit einem alten „Freund“ mal wieder eine kurze Erinnerungsnachricht bei FB oder ähnlichem. Vielleicht erinnern sich andere ja auch… wer weiß? Mir haben Deine Ideen und Vergleiche jedenfalls sehr gut gefallen. Gute Nacht und liebe Grüße
Anne-Katrin
Ein wirklich sehr schöner Beitrag zu diesem Thema! Schön, und so wahr!Danke, dass Du Deine Gedanken mit uns teilst. Der Zitronenvergleich gefällt mir ausgesprochen gut und ist so passend!
Liebe Grüsse, Nina
Sehr schön, so ist es und so soll es sein 🙂
hG Melanie
Wow- was für ein schöner Text! Du hast so recht mit den Punkt „Abschnittsgefährten“.
Ich frage mich manchmal auch, was aus diesen Menschen geworden sind und ob sie sich wohl noch an mich erinnern?
Danke, dass Du mitgemacht hast!
Liebe Grüße, Bine
Hallo Nadine,
einen sehr schönen und nachdenkenswerten Beitrag hast Du geschrieben. Mir gefällt Dein Vergleich mit den Zitronen.
Liebe Grüße,
Vera
Du schreibst schön, und es gefällt mir sehr wie du deine Worte zusammen stellst! Ganz liebe Grüße,
Cynthia Stempelwalküre
Liebe Nadine,
das hast Du wieder sehr schön und treffend beschrieben. Ich kann Dir in vielen Punkten beipflichten. Auch wenn es schade ist, weil diese Abschnittsgefährten einem ja auch oft ans Herz gewachsen sind. Und trotzdem schafft mans, solche Freundschaften manchmal einschlafen zu lassen. Trotzdem stimmts auffallend. Unter 20 wars noch soooo wichtig, einen Haufen Freunde zu haben. Heute weiß ich, dass ich mich auf meine Handvoll verlassen kann und sie sich auf mich.
Auf schöne und starke Freundschaften!
Liebste Grüße
Yvonne
Hallo Nadine!
Ich bin neu hier und über Alexandra von „Pinsel Schere & Co.“ auf deinen Blog aufmerksam geworden. Wirklich schön hast du es hier 😉 In Zukunft werde ich ganz bestimmt öfter bei dir vorbei schauen und mir ansehen, was du so Tolles zauberst! Auch die Idee mit dem Stempelsteckbrief finde ich klasse – das Projekt von Bine finde ich aber auch gut! So hat man immer neue Anlässe, sich Kreationen zu überlegen 🙂
Danke & bis bald, liebe Grüße aus dem Norden
Frauke
Guten Morgen Nadinsche,
ich stimme Dir auch in allem zu.
Auch ich würde einige Menschen von meiner Hochzeitsliste streichen, wenn diese erst dieses Jahr statt finden würde. Sicherlich möchte man die Zeiten, die Erinnerungen der Abschnittswegbegleiter nicht missen, aber umso mehr schätze ich doch meine jahrelang gepflegten Freundschaften. Diese sind mir 1000 mal lieber, auch wenn manchmal recht spartanisch der Kontakt gepflegt wird 😉 Aber das Schöne an solchen Freundschaften ist, dass es weder der eine dem anderen krumm nimmt und (mein Lieblingsgrund) es gibt fast nichts schöneres, als zusammen zu sitzen zu lachen, in alten Erinnerungen zu schwelgen, zu diskutieren, sich nicht dauernd erklären zu müssen, da man aufgrund der langen Freundschaft einfach den anderen kennt. Ich bewundere Dich stets dafür, dass Du diese gewisse Distanz hast um das Gesamtpaket aus der Ferne zu betrachten, zu analysieren und Dir Dein Fazit daraus ziehst. Und zack… Du machst das jetzt so :)…Ich bin da eher von der verklärteren Seite …betrachte das Ganze, analysiere, verstehe es nicht und mach es beim nächsten Mal wieder genauso 🙂 Ich muss ganz ehrlich gestehen, ich habe keine Zeit für solche lebenssituationsabhängigen Freundschaften. Und auch keine Lust mehr darauf. Sicherlich stehe ich jedem Neuen offen gegenüber, aber dass ich eine tiefe Freundschaft zulasse und mich preis gebe….das wird wohl eher selten eintreffen.
Liebste Grüße an Herrn T. und ich bin froh, dass es Dich gibt :).
sehr sehr toll geschrieben – danke fürs teilen!!! 🙂
schön erzählt und in meiner welt angekommen – alles liebe aus wien, aurelia
Hallo Nadine,
herrlich hast du das geschrieben – die Rezeptemetapher gefällt mir ungemein!
Und ich möchte mich auch noch einmal ausdrücklich einigen Vorrednern anschließen: Die Abschnittsgefährten sind irgendwie auch Freunde und sie sind unglaublich wichtig. Nicht zuletzt, um die einzelnen Abschnitte auch voneinander unterscheiden zu können, nicht wahr?
Und wenn du dich das nächste Mal fragst, was der eine oder die andere so treibt: Warum rufst du nicht einfach mal an oder schreibst eine Mail, sofern du die Daten noch hast? Manchmal erwächst aus sowas eine tolle neue Erfahrung!
Viele liebe Grüße
Julia
Hallo Namensvetterin,
du hast es sehr treffend beschrieben und in wunderschöne Worte gekleidet.
Auch ich habe lange Jahre genau so gehadert und bin mittlerweile zu einer sehr ähnlichen Entscheidung gekommen wie du.
Wichtig ist, daß man seinen Frieden mit dieser Entscheidung gemacht hat, dann ist man unbeschwert und frei von Zweifeln und schlechtem Gewissen.
Liebe Grüße, Nadine